Der Kampfrichter ist vergleichbar mit dem Schieds- bzw. Wertungsrichter in anderen Sportarten. Ohne Kampfrichter kann eine Leichtathletik-Veranstaltung nicht durchgeführt werden. Die Kampfrichter in der Leichtathletik haben einen großen Vorteil: sie messen die Leistungen der Athleten in Zentimeter, Meter und Sekunden. Damit ist eine eindeutige Wertung der Leistung vorgegeben.
Grundregel
Grundsätzlich hat immer der Athlet und nicht der Kampfrichter im Vordergrund zu stehen. Dafür muss der Kampfrichter bestimmte Voraussetzungen „mitbringen“:
- fachspezifisches Wissen über die Bereiche Lauf, Sprung, Wurf und Stoß
- schnelle Auffassungsgabe und Entscheidungsfreudigkeit
- Neutralität gegenüber jedem Athleten
- Charakterfestigkeit (Entscheidungen gewissenhaft treffen und vertreten)
Ausbildung
An drei Tagen werden die Bereiche Lauf, Sprint, Sprung, Wurf und Stoß in der Grundschulung des LA-Kreises Lippe nach den internationalen Wettkampfregeln (IWR) geschult. Diese Schulungen werden von Referenten des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW) in Theorie und Praxis durchgeführt. Den Abschluss bildet ein schriftlicher Teil mit 15 Aufgaben aus allen Gebieten der Leichtathletik. Dieses Wissen wird bei Wettkämpfen der Kreise (Lippe), Bezirke (Ostwestfalen), Verbände (FLVW) und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in die Praxis umgesetzt. Dabei arbeiten in den Wettkampfgerichten der einzelnen Disziplinen die neuen Kampfrichter mit den erfahrenen Kampfrichtern zusammen.
Fortbildung
Bewährte und interessierte Kampfrichter können sich beim FLVW zu Obleute-Lehrgängen anmelden. Die Aufgabe der Obleute ist das Führen eines Kampfrichterteams.
Erfahrene und gute Obleute können sich beim westfälischen Verband zu Schiedsrichtern fortbilden. Bei angezweifelten Entscheidungen der Wettkampfgerichte entscheidet der Schiedsrichter über die endgültige Leistung. Dazu ist eine absolute Regelsicherheit erforderlich.
Schiedsrichter können bei Landes- und deutschen Meisterschaften oder bei Olympischen Spielen eingesetzt werden.
Aus Lippe wurden beispielsweise eingesetzt:
- 1972 Olympische Spiele in München: Erhard Wattenberg aus Bad Salzuflen
- 1996 Europa-Cup der Mehrkämpfer in Lage: Robert Böhmer aus Hohenhausen und Günter Stock aus Bad Salzuflen
- 1987 Deutsche Meisterschaften in Gelsenkirchen: Dieter Denecke aus Lage
- Derzeitig wird Axel Offel als Starter bei Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid, Lage, Braunschweig eingesetzt.
Aufwandsentschädigung
Das Tagegeld und die Fahrtkostenerstattung sind so knapp bemessen, dass sie nicht einmal ausreichen, um die Kleidung nach einer Veranstaltung reinigen zu lassen. Ohne Idealismus ist die Kampfrichterei nicht möglich, denn auch bei Wind und Wetter muss der Kampfrichter seine Aufgaben durchführen.
Rückblick auf das Kampfrichterwesen in Lippe
Bis 1971 war die Leichtathletik in den FLVW-Kreisen (10) Detmold (21 Kampfrichter) und (18) Lemgo (17 Kampfrichter) selbstständig. Nach dem Zusammenschluss der Leichtathletikkreise nahm die Anzahl der Kampfrichter kontinuierlich zu. Bedingt durch die Zunahme der Veranstaltungen auf Kreis-, OWL-, Westfalen- und DLV-Ebene wurden auch die Anforderungen immer höher. Durch intensive jährliche Schulungen wurde die Anzahl der Kampfrichter von 1971 = 38 auf 2009 = 71 gesteigert. Selbstverständlich war in diesen Jahren eine erhebliche Fluktuation zu beobachten. Seit 1986 ist die Anzahl konstant. Unter anderem hat auch der Olympiasieger im Zweierbob von Lillehammer Olaf Hampel (ein ehemaliger Sprinter der LG Lage-Detmold) seine Kampfrichterausbildung in Lippe gemacht.
In all diesen Jahren waren die gut ausgebildeten lippischen Kampfrichter eine große Stütze bei deutschen Meisterschaften, Länderkämpfen und internationalen Sportfesten. Der Leichtathletikkreis Lippe ist stolz darauf, dass diese hochkarätigen Veranstaltungen im Wesentlichen mit eigenen Kampfrichtern bestückt werden konnten.
Von 1978 bis 2008 wurden hauptsächlich in Lage (Stadion Werreanger) 30 Großveranstaltungen durchgeführt. Höhepunkt war 1996 das Europa-Cup-Finale der jeweils 8 besten Teams der 10-Kämpfer und der 7-Kämpferinnen.
Auch die Stadionrekorde belegen, dass Weltklasseathleten aus über 20 Ländern dort gestartet sind. Die gesamte deutsche Spitzenklasse hat in dieser Zeit ihre Visitenkarte im Lipperland abgegeben. Somit waren die Kampfrichter hautnah an den Erfolgen der national und international bekannten Leichtathleten wie z.B. Jürgen Hingsen, Daley Thompsen, Guido Kretschmar, Frank Busemann, Stefka Kostadinova, Tegla Loroupe, Helena Fibingerova beteiligt.
Diese Erlebnisse sind für die Kampfrichter in bleibender Erinnerung und als Entschädigung für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu sehen. Doch nicht nur bei Großveranstaltungen sind unsere Kampfrichter gefordert. Genauso wichtig ist ihre Mitarbeit bei Vereins- und Kreisveranstaltungen.
Ausblick
Die Entwicklung in der Leichtathletik zum Profitum der Spitzensportler hat dazu geführt, dass keine Länderkämpfe oder internationalen Sportfeste im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten in Lippe mehr durchgeführt werden. Nur noch Großveranstaltungen wie ISTAF Berlin, Zürich, Brüssel usw. sind dazu in der Lage. Das heißt aber nicht, dass weniger Kampfrichter in der Zukunft gebraucht werden, denn die Veranstaltungen auf Kreis- und Westfalenebene sind mehr und aufwändiger geworden. Betrachtet man die Altersstruktur unserer lippischen Kampfrichter, dann stellt man fest, dass 45 % über 60 Jahre alt sind. Da die jüngeren Kampfrichter meist noch selbst aktiv oder in auswärtiger Ausbildung sind, fehlt uns bei Veranstaltungen die Altersklasse zwischen 20 und 60 Jahren. Die Grundausbildung zu Kampfrichtern hat aber auch den großen Vorteil, dass ein Teil der jetzigen aktiven Leichtathleten und eventuell späteren Trainern mit den Wettkampfregeln vertraut sind.
Negativ ist derzeitig anzumerken, dass die Einladungen der Kampfrichter zu Verbandsveranstaltungen in Zukunft vom ehrenamtlich tätigen örtlichen Kampfrichterwart bearbeitet werden sollen, was bisher von einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Verbandes in Kaiserau erledigt wurde. Hier muss eine bessere Lösung gefunden werden, weil ein ehrenamtlicher Kampfrichterwart diese zusätzliche Arbeit nicht leisten kann. Die Ausrichter der Veranstaltungen werden sich zurückziehen, was schon 2009 beobachtet werden kann.
Die Nachwuchsförderung für Kampfrichter sollte wie bisher so weitergeführt werden, um die Veranstaltungen mit sachkundigen Kampfrichtern durchzuführen. Wir sollten nicht vergessen, dass Eltern und Betreuer oft als Helfer eingesprungen sind, wenn nicht genügend Kampfrichter anwesend waren.
Der gute Ausbildungsstand und die Bereitschaft der Kampfrichter sind Voraussetzungen, dass auch in Zukunft die Leichtathletikveranstaltungen ordnungsgemäß durchgeführt werden können. Dann ist es auch weiterhin um die Leichtathletik in Lippe gut bestellt.
[Dieter Denecke]
Weitere Informationen:
- Aktive Kampfrichter Stand: 2022 (PDF-Download)